Goodmountain und gutes Dolmetschen

Interview mit Cosima Talhouni

Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass jeder Mensch eine spannende, aufregende und einzigartige Geschichte zu erzählen hat und unsere natürliche Neugier fordert immer nach mehr. Diese Neugier wollen wir natürlich an dieser Stelle befriedigen und haben in diesem Interview Cosima Talhouni getroffen, die eine bemerkenswerte Biografie aufzuweisen hat und uns in unserem Gespräch im November einige Einblicke in ihr Leben und Wirken gegeben hat. Dafür danken wir schon einmal.

Cosima Talhouni ist dreisprachig aufgewachsen (Deutsch, Arabisch und Englisch), hat eine deutsche Mutter und einen jordanischen Vater. Hier springt schon der Neidmodus des Interviewenden an, der monolingual geboren und aufgewachsen und sich über die Jahre erst mühevoll die Wege durch das fremdsprachliche Dickicht bahnen musste. In ihrem Leben pendelte sie zwischen Deutschland, Jordanien und den USA, wuchs dort auf und durchlief diverse Bildungsstadien (u.a. ein Bachelor in Psychologie und einen Master in Journalismus). Frau Talhouni ist heute selbstständige (und beglaubigte) Dolmetscherin und Übersetzerin für Arabisch, Englisch und Deutsch und fertigt unter anderem viele technische Übersetzungen wie von Anleitungen und Handbüchern an. Bis dato hat sie über 100 Bücher, vor allem in den Bereichen Architektur, Design und Archäologie, übersetzt. Viele mögen nun denken (und auch wird dachten das an dieser Stelle), dass ihr Weg durch ihre Vita quasi vorbestimmt war und eine berufliche Auseinandersetzung mit Sprachen und Sprachtransfer einen Automatismus darstellt.

Aber es ist auch immer wieder schön sich zu täuschen und sich für eine neue Perspektive zu öffnen. Cosima Talhouni hat als Head of Communications für eine jordanische Entwicklungshilfeorganisation gearbeitet, war aber auch als Redakteurin und Journalistin tätig. Ohne Sprache(n) geht es in solchen Aufgaben freilich auch nicht, aber die Tür zum Dolmetschen und Übersetzen in Deutschland ging für sie erst so richtig auf, als sie Mutter wurde. 

Um das Kaleidoskop von Frau Talhounis Biografie in voller Pracht betrachten zu können, bräuchten wir an dieser Stelle noch ein paar mehr Seiten digitales Papier. Wir machen an dieser Stelle einen kleinen Cut (kein paper cut, die tun nämlich im Gegensatz zu dem Interview weh) und wenden uns unserem kleinen Frage-und-Antwort-Spiel zu.

Cosima Talhouni setzt seit zwei Jahren ihre Fähigkeiten und ihre Ressourcen als ehrenamtliche Dolmetscherin im sozialen Raum ein und unterstützt hauptsächlich arabischsprachige Menschen (und ihre deutschsprachigen Gesprächspartner*innen), wenn diese im täglichen Leben auf sprachliche Barrieren stoßen. Seit ihre Kinder aus dem Gröbsten heraus waren, fragte sich Frau Talhouni schon seit Längerem, wie sie sich ehrenamtlich einsetzen und -bringen kann und wie sie einen Beitrag für Integration und Verständigung leisten könnte, Vor zwei Jahren wurde sie zufällig auf das Sprachmittlungsprojekt DOOR aufmerksam, für welches sie seitdem wirkt.

Wie fragen sie eingangs, ob sie den Eindruck hat, dass sie mit ihrem Einsatz etwas bewirken kann. Frau Talhouni berichtet, dass ihr von Gesprächsleitungen, aber vor allem von Kund*innen und Klient*innen oft zurückgespiegelt wird, dass durch ihre Leistung das Gefühl vermittelt wurde, dass auf sie eingegangen werden konnte, dass ihnen Wertschätzung entgegengebracht wurde und sie sich einfach einmal gehört fühlten. Auf der Seite der Fachpersonen beobachtet Frau Talhouni, dass bei diesen das allgemeine Bewusstsein steigt, was es bedeutet, Gespräche mit Dolmetscher*innen zu führen. Sie sprechen zunehmend langsamer und machen öfter Pausen für die Verdolmetschung. Aber ihr fallen auch diverse Herausforderungen und Hindernisse in der Sprachmittlungslandschaft auf. Neben einer noch nicht ausreichenden fairen und bedarfsdeckenden Versorgung von Sprachmittlung in Rheinland-Pfalz sieht Cosima Talhouni an vielen Stellen, dass eine breite Basis von Institutionenwissen vorausgesetzt wird. Das ist natürlich auch für Dolmetscher*innen im sozialen Raum eine gewisse Hürde, aber vor allem für Kund*innen und Klient*innen ein manifestes Problem. Hier wünscht sich Frau Talhouni, dass es Anstrengungen gibt, Komplexe wie das Bildungs- und Gesundheitssystem in Deutschland bzw. in Rheinland-Pfalz verständlicher und zugänglicher zu machen, gerne auch durch die Unterstützung von mehrsprachigen Menschen, die beide Seiten, Welten und Kulturen kennen.

Wir fragen natürlich auch nach den sprachlichen Herausforderungen, wenn sich Frau Talhouni in Einsätzen zwischen Arabisch und Deutsch bewegt. Auf der einen Seite ist die Dialektvielfalt des Arabischen eine gewissen Herausforderung. Frau Talhouni spricht und versteht ein sogenanntes „Levante-Arabisch“ (Raum Libanon, Syrien, Palästina, Jordanien), je weiter es in Richtung Marokko geht, desto herausforderungsvoller wird die Kommunikation. Zudem betont sie, dass sie viel auf kulturelle Sensibilitäten eingehen muss, die über Sprache (verbal wie nonverbal) transportiert werden. Man muss oft weiter ausholen und mindestens so sensibel wie aufmerksam sein. Auch wenn es streng genommen nicht die Aufgabe einer dolmetschenden Person ist, müssen sie in Gesprächssituationen Kontexte für Äußerungen und Verhaltensweisen bereitstellen, damit Verstehen und Verständnis herbeigeführt werden kann.

Im Zusammenhang unserer Arbeit im Haus der Sprachmittlung begegnen wir immer wieder Menschen, die statt auf Dolmetscher*innen auf technische Lösungen zum Zwecke des Sprachtransfers zurückgreifen. Wir sehen zwar, dass ein solcher Ansatz das mittlerweile schon berühmte „besser als nichts“ darstellt, beziehen als Haus der Sprachmittlung eine eindeutige Position, in der wir qualifizierte Dolmetscher*innen klar über technische Lösungen stellen. Aber eine Position darf gerne auch mal überprüft werden und das taten wir einfach, indem wir Frau Talhouni nach ihrer Meinung und Erfahrung gefragt haben.

In ihrer beruflichen Praxis macht sie oft ein sogenanntes „post editing“, sie bearbeitet also maschinell übersetzte Texte und versucht, das von der K.I. zusammengeklöppelte Wollknäuel wieder zu entwirren und in ein formschönes und verständliches Produkt zu transferieren. Wenn Johannes Gutenberg als „Goodmountain“ übersetzt wird, wird schnell deutlich das K.I. oft in der Lage ist, schöne und auch lustige Sätze zu formen, aber die Nuancen von Sprachen nicht fühlt und die inhaltliche Korrektheit auf der Strecke bleibt. Einen zusätzlichen Hinweis für uns (und für viele andere) hat Frau Talhouni in diesem Kontext: Oft ist es günstiger direkt einen Übersetzungsprofi an einen Text zu lassen, als diesen dann im Nachgang die Scherben aufkehren und wieder zusammensetzen zu lassen. Position überprüft und weiterhin als gut empfunden.

Um wieder zu beseelten Wesen zurückzukehren, fragten wir nach Frau Talhounis Zukunftsvision für das Sprachmitteln im sozialen Raum, die auch gerne als Wunschzettel formuliert sein darf. Sie wünscht sich allgemein ein größeres Bewusstsein und eine breitere Wertschätzung für die Sprachmittlung. Weiter, dass alle Menschen, die eine dolmetschende Personen brauchen (Kund*innen und Klient*innen wie Fachpersonen), auch eine bekommen. Wenn das Angebot flächendeckend wäre und dann auch noch eine schnellere und einfachere Auftragserteilung für Sprachmittler*innen dazukäme, wäre der Wunschzettel schon abgeschlossen. Und da es auf Weihnachten zugeht, wünscht sich das Team des Hauses der Sprachmittlung gerne auch genau das Gleiche. 

Am Ende unseres Gesprächs fragten wir Frau Talhouni nach ihren Ratschlägen für zukünftige Sprachmittler*innen. Folgende Punkte waren ihr sehr wichtig:

 

  • Möglichst viel in beiden Sprachen lesen und stetig den Wortschatz ausbauen
  • Angebotene Qualifizierungen mitnehmen, nicht jede zweisprachige/mehrsprachige Person ist automatisch eine gute dolmetschende Person
  • eine realistische Selbsteinschätzung an den Tag legen und sich fragen, ob man sich diese Aufgabe mit ihrer gesamten Tragweite wirklich zutraut. Durch falsches Dolmetschen kann man viel Schaden anrichten und zudem den Ruf der Kolleg*innen und des Sprachmittelns beeinträchtigen
  • Als Sprachmittler*in im Gespräch nicht davor zurückschrecken, die Fachperson wiederholt zu fragen, wenn man etwas nicht verstanden hat oder wenn man eine Erklärung benötigt

 

Wir hätten sicherlich noch weiter Fragen an eine spannende Person wie Frau Talhouni gehabt, doch dem Autor des Newsletters wurde unlängst nahegelegt, dass Menschen auch mal gerne einen kürzeren Text lesen wollen. Et voilà.

 

Wir danken Cosima Talhouni sehr, dass sich bereit erklärt hat, uns einen Einblick in ihre Geschichte und ihre Aufgaben zu geben. Solange es engagierte Expert*innen wie sie gibt, kann die K.I. noch ein paar Trainingsrunden drehen. 

 

P.S. Dieses Interview wurde zu 100% ohne Zuhilfenahme künstlicher Intelligenz geführt und ausgearbeitet.