Mythos #1

Mit Händen und Füßen

 

Die Kommunikation mit Gestik, Mimik oder über ein Übersetzungsprogramm mag auf den ersten Blick als eine ausreichende und pragmatische Möglichkeit ausreichen, um die notwendigen Informationen zu übermitteln oder zu bekommen.

Aber auf den zweiten Blick stößt diese Art der Kommunikation schnell an ihre Grenzen. Eine Geste oder ein Gesichtsausdruck haben je nach Situation oder Sozialisation eine andere Bedeutung. Oder versuch mal „Asylbewerberleistungsgesetz“ über eine Pantomime darzustellen. Der Rückgriff auf Übersetzungsprogramme macht genau nur das: Übersetzen ohne Kontext, Vorwissen und persönliche Zusammenhänge. Schon die Kommunikation unter Gleichsprachigen ist durchsetzt von Missverständnissen und Fehlinterpretationen, also stellen sich zwangsläufig diese Fragen zu dem Mythos:

 

  • Wie kann dann ein bilaterale Informationstransfer ohne Worte gesichert erfolgen?
  • Wie können Emotionen übertragen werden?
  • Wie können intime Details schauspielerisch eindeutig dargestellt werden?
  • Wie können komplexe Geschichten und Zusammenhänge vollumfänglich dargestellt werden?
  • Wie können Leiden und Probleme über Google-Translate begrifflich gemacht werden?
  • Wie kann eine Fachperson ihrer Fachlichkeit professionell nachkommen und wie kann sie ihre Leistung im gleichen Maße jeder Person zukommen lassen?

 

Die Antwort auf diese Fragen besteht aus zwei Teilen. Wir brauchen Wörter und wir brauchen qualifizierte Sprachmittler*innen. Ohne den Transfer zwischen zwei Sprachen bleiben die meisten Dinge ungesagt und die Informationen werden nicht ausgetauscht. Den Personen mit keinen oder geringen Deutschkenntnissen eine sprachmittelnde Person zur Seite zu stellen, erlaubt diesen, sich frei in der Sprache ihrer Wahl auszudrücken und ihre Interessen zu artikulieren. Gleichzeitig profitiert auch die Fachperson von einer sprachmittelnden Person. Sie kann ihrem Auftrag nachkommen, kann helfen, unterstützen, beraten und informieren. Zudem erhält sie durch Sprachmittlung den Zugang zu den Menschen und ihren Anliegen und kann daher bedarfsgerecht handeln. So vermeidet sie Missverständnisse, Wiederholungsschleifen und unnötige Folgetermine.

Ein Anamnesegespräch im ärztlichen Kontext oder ein Konfliktgespräch in der Schule kann nicht und darf nicht mit „Händen und Füßen“ erfolgen. Wir brauchen qualifizierte Sprachmittler*innen, die allen Parteien mit ihrer Dienstleistung den Weg zu einer offenen und vollinformierten Konversation ebnen können.

Also gilt:

 

Ich brauche eine dolmetschende Person, nur mit Händen und Füßen oder mit technischen Hilfsmitteln kann die Kommunikation nicht funktionieren und ich kann so meinem Auftrag und meinem Selbstverständnis nicht gerecht werden.